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exa03-1Samstag-Nachmittag beginnt das große Rasenmäher-Rennen in der Nachbarschaft. Große Rasenmäher, also diese Maschinen mit fossilem Antrieb, haben ihren Platz im Geräteschuppen, den sie sonst komplett blockieren, aufgegeben. Nun blasen sie unter lautem Getöse die kaum schallgedämpften Auspuff-Rohre frei. Die SUVs unter den Rasenmähern hören immer wieder mal auf. Erleichterung macht sich beinahe breit, bis sie wieder beginnen, ihre Existenz zu feiern.

Eine leise Hoffnung macht sich breit. Die Energiewende! Die Autoindustrie stellt sich gerade um. Die Wärmepumpe wird auch in Deutschland endlich auf die Zielgerade einbiegen, sobald die Lieferschwierigkeiten ausgestanden sind. Doch was macht die Rasenmäherindustrie?

Im Hintergrundgespräch mit den Nachbarn erfährt man alles, was man wissen will und noch mehr. Die Firma „Rasenplatt“ entwickelt einen Rasenmäher, der für e-Fuels geeignet sein soll. Die Firma Igelplatt arbeitet an einem Umrüstsatz, kommt aber bisher nicht mit dem Tierschutz klar. Man munkelt von internen Lieferschwierigkeiten.

Es ist ungewöhnlich heiß heute. Die nächste Runde geht aufs Haus. Die Stimmung erhält einen leichten Knacks, als jemand auf dem Etikett der Bierflasche das Veganzeichen entdeckt. Zufall oder Frechheit? Zum Glück kann man nicht verstehen, was gesagt wird. Ein weiterer Mäh-SUV hat begonnen, seine Runden zu drehen. Man fragt sich, wann der Begriff Technologie-Offenheit bei Mäh-SUV fallen wird. Und zack! Schon ist er da. Man fragt sich, ob Technologie-Offenheit so etwas wie Rechts-Offenheit ist, also in den Köpfen der Menschen stattfindet. Oder ist sie mehr so etwas wie ein offenes Bein? Oder kann nur eine Maschine, beispielsweise ein Rasenmäher, diese Eigenschaft besitzen?

Der Nerd unter den benachbarten Rasenmäher-Besitzern sieht seine Chance und berichtet von einem Rasenmäher-Newsletter, den er regelmäßig bezieht. Dort wurde schon über einen technologieoffenen Rasenmäher berichtet. Natürlich besitzt er einen Tank, um den Motor, der Benzin, e-Fuels, Biogas und Kerosin verarbeiten kann, zu versorgen. Der Anlasser ist etwas größer dimensioniert. So ist er in der Lage, das Gefährt auch als Elektromotor voranzutreiben. Aber das gilt als uncool. Die Steckdose für den Anschluss des Stromkabels kann verwendet werden, um den Mäher mit einem Akku zu betreiben. Aus Gründen der Fitness muss der Akku vom Bedienpersonal auf dem Rücken getragen werden. Aber das macht man ja gerne, zumal zum Aufladen des Akkus auch eine Rücken-PV-Anlage in Form eines großen Segels zum Lieferumfang gehören soll.

Der Nerd wird immer begeisterter. Das Gewicht des Akkus soll durch einen großen Gasballon kompensiert werden, der das Wasserstoff-Gas enthält, mit dem der Rasenmäher ebenfalls angetrieben werden kann. Der Antrieb wird über eine kleine Katalyse Anlage sichergestellt, in der aus Wasserstoff und dem Sauerstoff der Luft Wasser hergestellt wird, wobei Strom als Nebenprodukt entsteht. Gleichzeitig kann mit dem Mäherwasser der Rasen gesprengt werden. Besonders mutiges Bedienpersonal, so heißt es, wird auch hin und wieder die mit Wasserstoff angetriebene Turbine, die aus dem Gefährt einen Rennmäher macht, verwenden. Ein kleiner Wehmutstropfen ist das Bekenntnis des Herstellers, dass das Modul für Holzpellets noch nicht angeboten werden kann, obwohl dessen Ankündigung brennendes Interesse hervorgerufen hatte.

Das Gesamtpaket wird etwa eine Tonne wiegen und sollte in moorigen Gegenden nur mit den zusätzlichen breiteren Reifen verwendet werden. Aufgrund der Ausmaße des Mäh-SUV wird man ergänzend eine Verbreiterung der Einfahrt und des Geräteschuppens anbieten. Auch ein kleines AKW ist in Arbeit. Es gibt jedoch Lieferschwierigkeiten.

Das Hintergrundgespräch mit den Nachbarn ist ins Stocken gekommen. Allerdings nicht das Biertrinken. So technologieoffen sind die Teilnehmer des Hintergrundgespräches also doch. Nur einer hat sich eine Cola geholt (Haha!). Alle rechnen im Hinterkopf durch, ob sie sich die Technologie-Offenheit werden leisten können. Vielleicht, wenn man ein wenig spart? Mancher ahnt, die neue Technik wird in dieser Ausstattung wohl nie angeboten werden.

Der fossile Grill (ebenfalls unter dem Blickwinkel der Technologie-Offenheit ein spannendes Thema) muss langsam angeschmissen werden und so geht man mit dem wohligem Gefühl der Offenheit für die Zukunft auseinander.

Wenig später treffen sich alle wieder und beobachten die brennende Hecke. Da ist anscheinend ein fossiler Funke übergesprungen. Die Hecke scheint nicht technologieoffen zu sein. Dann hätte es wenigstens auch ordentlich geknallt.

Autor: Dr. Klaus Meylahn

Der pensionierte Lebensmittelchemiker lebt vegan. Er liebt es, mit seiner Frau Sigrid neue Rezepte für vegane Speisen auszuprobieren, liest viel (zum Beispiel „Realitätsschock“ von Sascha Lobo) und fotografiert gerne.